Langlauf-Star Dario Cologna über seine verletzte Wade, den schweren Autounfall seiner Eltern – und was ihn mit Roger Federer verbindet.
Dario Cologna, Ihre Wade hat letzten Samstag beim Weltcup in Estland zugemacht. Wie geht’s mittlerweile?
Soweit gut, ich bin am Sonntag nach Davos zurückgekehrt und bereite mich nun hier auf die WM vor.
Sind Sie erschrocken?
Nein, nicht wirklich erschrocken. Ich hatte bereits die letzten Tage muskuläre Probleme. Als ich merkte, dass die Wade wieder zumacht, wars natürlich kein schönes Gefühl.
Am Samstag findet mit dem WM-Skiathlon Ihre Paradedisziplin statt. Wäre eine Teilnahme wegen des Klassisch-Teils ein zu grosses Risiko?
Ich werde nun in den nächsten Tage schauen, wie sich die Wade entwickelt und dann definitiv entscheiden. Die Belastung beim Klassisch ist viel grösser als beim Skaten.
Zuletzt sagten Sie, Sie würden um Medaillen kämpfen können. Gilt das noch?
Ja, ich werde alles daran setzen, meine Medaillenchancen wahrzunehmen, in welchen Wettkämpfen ich auch starten werde.
Sie haben bereits alles erreicht. Wie wichtig ist eine WM-Medaille da noch?
Roger Federer ist das beste Beispiel. Er hat fünf Jahre keinen Grand Slam gewonnen. Dass es jetzt wieder geklappt hat, macht es doch umso schöner. Rogers Seriensiege wurden damals einfach so hingenommen. Die Euphorie jetzt war wieder viel grösser. Das sehe ich bei mir ähnlich. Ich kann nicht andere Ziele haben als WM-Titel oder Olympiagold. Es gibt nichts Grösseres. Aber ich will diese grossen Rennen wieder gewinnen. Das würde mir noch immer sehr viel bedeuten.
Sie kennen das ja auch. Die Silbermedaille in Falun vor zwei Jahren wurde fast als Enttäuschung wahrgenommen.
Das war tatsächlich so. Dabei ging es um ein paar wenige Zehntel. Aber ich denke, das hat mittlerweile wieder etwas geändert. Der dritte Platz an der Tour de Ski wurde mehr geschätzt als auch schon.
Vor der Tour mussten Sie einen Schock verdauen. Ihre Eltern Remo und Christine hatten einen schweren Autounfall am Tag vor Weihnachten. Beide zogen sich Brüche am Brustkorb zu. Wie geht es Ihren Eltern heute?
Es geht beiden gut. Die Knochen sind noch am verheilen, aber sie können sich frei bewegen. Bei den Rippen ist es halt immer heikel und schmerzhaft. Aber es geht ihnen gut.
Was war das für ein Moment, als Sie die Nachricht erhielten?
Ich will nicht zu sehr ins Detail gehen. Aber sie hatten grosses Glück, es hätte viel Schlimmeres passieren können. Aber zum Glück hat mein Vater dann meine Schwester angerufen.
Das hat den Schock etwas abgeschwächt?
Ja. Das Schwierigste war danach die Ungewissheit. Wir wussten nicht, wo sie hinkommen, was genau los ist. Ich bin einfach froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist.
Beim Start der Tour waren beide wieder zuhause und wohlauf. Hat Sie der Unfall noch beschäftigt?
Nein. Es ist ihnen gut gegangen, sie waren wieder daheim. Weihnachten war sicher nicht schön. Aber an der Tour hat es mich nicht mehr beeinflusst.
Wie wichtig war Ihre Freundin Laura als Stütze für Sie in diesen Momenten?
Sehr wichtig. Es ist schön, jemanden zu haben, mit dem man die Gedanken teilen kann. Sie war immer dabei, das hilft sehr. Und nicht nur in dieser Situation. Auch allgemein im Leben. Als Sportler hat man ein spezielles Leben, muss auch immer wieder mal egoistisch sein. Sie muss viel mehr Rücksicht nehmen und Verständnis haben als ich. Ich bin sehr froh, dass ich eine Freundin habe, die das versteht.
Sie wird in Lahti dabei sein. Die Eltern auch?
Ja. Sie sind immer dabei (lacht).
Wie wichtig ist das für Sie?
Es ist schön, auch wenn es sportlich keinen Riesenunterschied macht. Für die Eltern sind das immer auch Ferien, so eine WM ist ein Erlebnis. Und Laura wird mit Kollegen da sein. Es ist wichtig, dass sie es gerne machen und eine möglichst gute Zeit haben.
Aber Sie und Laura wohnen nicht zusammen im gleichen Hotelzimmer?
Nein, ich bin beim Team. Es ist einfacher, alles ist organisiert. Es wird sich sicher ergeben, dass wir in diesen zwei Wochen einmal einen Abend zusammen essen gehen. Den geniessen wir dann dafür umso mehr.
Die gesperrten russischen Langläufer wollten vor dem internationalen Sportgericht eine Starterlaubnis für die WM erreichen. Wäre eine Teilnahme von Legkow und Co. in Lathi für Sie ein Skandal?
Das kann ich nicht beurteilen, weil ich die Fakten zu wenig kenne. Man hat als Athlet schon bei Sundby oder Johaug wenig erfahren. Das finde ich nicht gut. Man sollte hier transparenter werden. Es ist ein heikler Fall, weil zwar manipulierte, aber keine positiven Proben vorliegen. Ich weiss nicht genau, auf welcher Basis die FIS die Russen gesperrt hat. Vielleicht hätte man anstelle einzelner Athleten den russischen Verband sperren können. Aber das müssen die Spezialisten beurteilen.
Spricht man mit anderen Athleten über die Dopinganschuldigungen?
Intern schon. Vielleicht auch mit einem Athleten aus einer anderen Nation, den man gut kennt. Aber grundsätzlich ist es derzeit, gerade mit Blick auf Norwegen, ein ziemlich heikles Thema.
Sie waren vor zwei Jahren in Falun WM-Zweiter im Skiathlon hinter dem Russen Maxim Wylegschanin. Vielleicht wird daraus ja noch Gold. Welchen Wert hätte dies?
Das ist reine Spekulation. Es wäre emotional sicher nicht das gleiche, wie wenn du als Erster über die Ziellinie läufst. Aber ich habe ja bereits einen Gesamtweltcupsieg von Sundby geerbt. Heute sehe ich mich durchaus als Sieger. Wenn man argumentieren würde, ein geerbter WM-Titel zählt nicht gleich viel, dann würde man damit ja sagen: Doping ist in Ordnung.
Spüren Sie, wie der Ruf des Langlaufs durch die Doping-Geschichten leidet?
Natürlich. Wir reden ja auch jetzt über solche Geschichten. Das ist nicht gut für unseren Sport. Aber gerade bei den Vorfällen von Sotschi sind ja offensichtlich weite Kreise involviert. Da ist der Langlauf nur ein kleiner Teil davon. Aber natürlich sind gerade auch die jüngsten Meldungen aus Norwegen, die viele Leute schockiert haben, schlecht für uns.
Sie äussern sich deutlicher als auch schon zu diesen Themen. Sind Sie nicht mehr der schüchterne Junge von früher?
Ich habe das Gefühl, dass ich sehr schnell in diesen Topf geworfen wurde, extrem schüchtern und ruhig zu sein. Sicher bin ich nicht der, der immer grosse Sprüche klopft. Aber ich kann schon auch mal zurückgeben.
Das nächste grosse Ziel nach der WM sind die Olympischen Spiele. Wissen Sie denn, wie lange Sie danach noch weitermachen?
Am besten mache ich es so wie Roger Federer. So lange ich Freude habe und erfolgreich bin. Ich bin bald 31 und fühle mich noch nicht so, dass ich in diese Phase komme, wo ich entscheiden muss. Für mich ist Olympia 2018 und die WM Seefeld 2019 sicher. Dann werde ich 33 sein und weiterschauen. Vielleicht kommt noch eine WM hinzu. Vielleicht sogar noch einmal Olympia.