Heute Bundesliga-Knaller Bayern gegen Dortmund: Und mittendrin der ehemalige Schaffhausen-Goalie Roman Bürki (24). Wir tickern das Spiel ab 17.30 Uhr live auf Blick.ch!
Blick.ch: Roman Bürki, hatten Sie schon schlaflose Nächte wegen Bayerns Tor-Monster Robert Lewandowski?
Roman Bürki: Ich habe nie schlaflose Nächste, gar nie. Egal, gegen wen ich spiele. Letzte Saison spielte ich zweimal mit dem SC Freiburg gegen Bayern, Lewandowski hat nie getroffen. Und beim Länderspiel in Polen ...
Das war im November 2014 bei ihrem ersten Einsatz für die Nati ...
... ja, da schossen beim 2:2 Jedrzejcyk und Milik die beiden Tore, aber nicht Lewandowski.
Trotzdem: Die 5 Tore in nur 8 Minuten und 59 Sekunden, die Lewandowski gegen Wolfsburg gelangen, sind ein Wahnsinn, oder?
Aussergewöhnlich, klar, das schon. Da hat er seine Klasse gezeigt. Es wird aber schwierig sein, dies zu wiederholen.
War einer der fünf Blitz-Treffer haltbar?
Ehrlich gesagt habe ich nur den Seitfallzieher gesehen.
Mit ihrem ehemaligen Nati-Kollegen Diego Benaglio, der Lewandowski gegenüber stand, haben Sie nicht gesprochen?
Nein.
Lewandowski hat mit Bayern bisher in jedem Spiel gegen seinen Ex-Klub Dortmund getroffen. Düstere Aussichten, nicht?
Dann müssen wir am Sonntag eben versuchen, diese Statistik zu ändern.
Was hat Ihnen Bayerns Goalie Manuel Neuer noch vor?
(lacht). Neuer macht einiges besser als ich. Er ist ja nicht von ungefähr Welt-Torwart des Jahres. Seine konstanten Leistungen über all die Jahre, seine Qualität, seine Ausstrahlung, sein Mitspielverhalten, alles einmalig. Ich würde es nie wagen, mich mit Neuer zu vergleichen.
Was haben Sie Neuer bisher abgeschaut?
Wie so viele junge Torhüter wahrscheinlich manches. Hoch stehen, Pässe in die Tiefe antizipieren, das Mitspielverhalten, das Rauslaufen.
Zeigen Sie am Sonntag auch in München Ihren Kaugummi-Trick?
Ja, den mache ich überall, ob in München, Darmstadt oder sonst wo. Ich kicke den Kaugummi ins Netz und denke mir: Du bist der einzige, der heute reingeht.
Was sagt Ihre Freundin dazu, wenn Sie zu Hause in Goalie-Handschuhen unter die Dusche stehen?
(lacht). Das mache ich nur im Trainingszentrum, nicht zu Hause, dort dusche ich ohne Handschuhe. Ich wasche die Handschuhe mit Shampoo, damit der rutschige Belag weggeht.
Auf Ihre linke Brust liessen Sie sich einen lateinischen Spruch tätowieren. Was bedeutet er?
Frieden beginnt in unseren Herzen.
Haben Sie den Zusammenstoss Ihres Nati-Kollegen Yann Sommer mit dem Knie eines Mitspielers am letzten Mittwoch gesehen?
Ja, auf Video. Es hat schlimm ausgesehen. Wenigstens war es kein Foul und keine Absicht. Bei einem Mitspieler ist ein solcher Zusammenstoss immer mit viel Pech verbunden.
Haben Sie auch schon mal – wie Sommer – die Nase gebrochen?
Nein, noch nie.
Aber ein paar Hirnerschütterungen waren schon dabei, nicht wahr?
Ja, eine oder zwei.
Nicht mehr?
Okay, zwei oder drei. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern.
Eine davon war in Ihrer Juniorenzeit besonders deftig...
Ja, in der U21 von YB. Ich war damals 18, musste danach drei Monate pausieren.
Yann Sommer wird zum Schutz seiner operierten Nase eine Gesichtsmaske erhalten, Sie kennen dieses Gefühl seit Februar 2014. Wie spielte es sich damit?
In dem Moment wars gut, auch weil ich damals unbedingt spielen wollte. Aber im Regen habe ich nicht mehr genug gut gesehen, das Karbon hat reflektiert. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass die Sicht bei einem Nachtspiel wegen des Scheinwerferlichts beeinträchtigt wäre.
Rechnen Sie sich Chancen aus, nächsten Freitag im EM-Qualifikationsspiel gegen San Marino anstelle von Sommer im Tor zu stehen?
Darüber habe ich noch nicht gross nachgedacht. Am Sonntag steht ja jetzt erst noch ein extrem wichtiges Spiel gegen die Bayern an. Wenn es so kommen sollte, wäre ich bereit und würde mich freuen, wenn ich zum Zug kommen würde. Aber wenn es Yann gut geht, wird er spielen.
Wie funktioniert der Kontakt mit dem Nati-Coach Vladimir Petkovic?
Unser Ansprechpartner ist vor allem Fox.
Patrick Fox Foletti, der Goalie-Trainer?
Ja, mit ihm haben wir jede Woche Kontakt. Wir müssen nach jedem Spiel einen Rapport schicken mit der Selbsteinschätzung unserer Leistung.
Wichtig ist Ihnen auch das Urteil Ihres Vaters Martin, der bei YB die Nachwuchs-Goalies trainiert.
Ja, nach den Spielen ruft er mich immer an. Meistens schaut er sich, falls er nicht vor Ort ist, meine Spiele am Fernsehen an. Da siehst du mit allen Wiederholungen einiges mehr, als wenn du auf dem Platz stehst.
Setzte er sich als YB-Trainer 2013 nicht für Sie ein, damit YB Sie von GC zurückgeholt hätte.
Zuerst: Das Beste, was mir passieren konnte, war, dass ich zu GC wechselte. 2013, als es darum ging, ob mich GC definitiv übernehmen würde, wollte YB auf Wölfli setzen. Sie wollten nicht, dass es ein «Gschtürm» gibt. Deshalb lag es auf der Hand, dass ich in Zürich geblieben bin.
Was ist in der Fussball-Welt Dortmund anders als anderswo?
Das Ganze Drum und Dran. Das Zuschauer-Interesse. Überall, wo wir spielen, hats sehr viele Fans. Die Qualität der eigenen Mannschaft ist enorm. Das mediale Interesse. Und im Klub wird auf jedes Detail geschaut, damit es uns gut geht. Wir können uns wirklich nicht beklagen.
Nach der Asien-Tour mit Dortmund im Sommer haben Sie in «Sport-Bild» gesagt: ‹Man kennt mich jetzt beinahe auf der ganzen Welt›.
Ja, es war schon erstaunlich, als wir in Japan, Singapur oder Malaysia ankamen, kannten die Fans meinen Namen, wussten, wo ich vorher gespielt habe. Das hat mir schon imponiert. Das zeigte, dass du in einem grossen Klub, in einem Weltverein, spielst.
BVB-Legende Nobby Dickel fragte Sie im Klub-TV, ob es in der Schweiz eine Schnitzerei gebe, wo die guten Torhüter hergestellt würden ...
Ich antwortete ihm, dass in der Schweiz sehr gute Goalie-Ausbildungsarbeit geleistet würde. Die Philosophie von Fox, die schon in den Nachwuchsteams angewandt wird, setzt sich durch. Ich musste nicht gross erklären, es spielen so viele gute Schweizer Goalies in Deutschland.
Was ist das Spezielle an der Philosophie von Fox Foletti?
Etwa, dass wir mit diesen Disco-Brillen arbeiten, hinter denen man den Ball nicht immer genau sieht. Das ist sehr modern, habe ich vorher noch nie gesehen. Er will auch, dass wir immer hoch stehen, viel Mut und Selbstvertrauen zeigen, aggressiv zum Ball gehen, und dass wir Risiken eingehen.
Wie oft werden Sie in Dortmund auf die «Schweizer» Ottmar Hitzfeld, Chappi und Timo Konietzka angesprochen?
Im Moment gar nicht. Aber jeder, der mit Dortmund etwas am Hut hat, kennt die drei natürlich.
Welche drei Teams schiessen europaweit zurzeit am meisten Tore?
Wir gehören sicher auch dazu.
Stimmt. Es sind Bayern, Dortmund und GC.
GC? Das freut mich. Aber sie bekommen auch ein paar Gegentore.
Was ist der Unterschied zwischen dem Letzigrund und dem Signal Iduna Park in Dortmund?
Wenn der Letzi mal voll wäre, dann wären das mit 25 000 Fans etwa so viele wie ich in Dortmund alleine hinter meinem Rücken habe. Die Stimmung bei uns ist genial, ich habe noch nie eine bessere erlebt.
Wie gefällts Ihrer Freundin Nastassja in Dortmund?
Richtig gut.
Wo lebt ihr?
In Dortmund, am Phoenixsee, wunderbar.
Getrauen Sie sich überhaupt noch in Ihren Heimatort Münsingen BE?
Ich war lange nicht mehr dort, weshalb die Frage?
Im Klub-TV sagten Sie während des Vorbereitungscamps in der Schweiz: Bad Ragaz ist schöner als Münsingen ...
Ich war einfach ehrlich. Bad Ragaz ist sehr schön gelegen.
Erinnern Sie sich überhaupt noch ans Trainingscamp im Januar 2011 in der Türkei? Sie kamen von Schaffhausen zu GC, waren die Nummer 2 hinter Swen König, dem heutigen Goalie-Trainer von Absteiger Aarau. Am Sonntag spielen Sie mit Dortmund in der Liga des Weltmeisters gegen Bayern München.
Ja, und das alles in nur viereinhalb Jahren. Ein Riesen-Aufstieg. Es ist wie in einem Traum.