Nicht gelogen: Arno Del Curto ist seit einer Woche 60. Ein Fest ohne Torte – dafür verrät er, dass er vor ein paar Jahren beinahe Fussballtrainer wurde.
Arno Del Curto, vor einer Woche feierten Sie Ihren 60. Geburtstag. Was hat sich an diesem
Datum verändert?
Arno Del Curto Nichts. Es ist eine Scheisszahl.
Haben Sie eine Torte bekommen?
Nein, ich wollte nichts, gar nichts.
Gab es ein paar graue Haare mehr?
Ja sicher.
Aber die übertünchen Sie ja mit etwas Farbe ...
... wie wohl etwa vier Milliarden andere Menschen auch.
Das ist Eitelkeit.
Ja, leider. Aber da kann ich nichts machen.
Worauf achten Sie bei sich sonst noch?
Dass ich nicht zu dick werde.
Da scheinen Sie keine Probleme zu haben.
Ja schon, aber man muss permanent was dafür tun.
Würden Sie für uns Ihr Shirt ausziehen?
Ja, aber Ihr Fotograf ist ja eben ausgebüxt. Das nennt man wohl Pech.
In Zukunft machen wir die Interviews mit Ihnen vor den Fotos.
Nein, das ist schon in Ordnung so. Ich muss präzisieren: Ich würde mich nicht schämen, mein Leibchen auszuziehen, aber ich würde es nie machen. Aber ich kann natürlich privat mein Hemd für Sie ausziehen, wenn Sie das wollen.
Eigentlich nicht.
Na gut, dann ist dieses Thema ja erledigt.
Sie sprechen nicht gerne über das Alter, oder?
Ja. Es ist zwar nur eine Floskel, aber trotzdem nicht ganz ohne: Man ist so alt, wie man sich fühlt. Ich habe das Glück, dass ich jeden Tag viele junge Leute um mich habe, das lässt dich im Kopf einfach jung bleiben. Da bin ich wirklich froh drum.
Kein bisschen Spannungsverlust in Körper und Geist?
Nein, es kackt mich einfach an, dass da eine 60 steht. Das ist für mich ein Widerspruch zum Gefühl, das ich in mir habe. Ich habe aber Angst, dass es dann plötzlich ganz schnell gehen kann: Zack – und ich bin alt.
Sie spüren überhaupt keine Veränderungen?
Ich kann im Kraftraum trainieren wie schon vor 20, 30 Jahren, da spüre ich kein Nachlassen, keine Veränderung, keine Müdigkeit. Ich kann auch spät ins Bett und am nächsten Tag früh raus und bin trotzdem frisch, irgendwie verstehe ich gar nicht, wieso das so ist.
In Ihrem Alter braucht man nicht mehr so viel Schlaf. Am Stammtisch heisst das senile Bettflucht.
Nein, nein. Ich schlafe normalerweise sieben bis acht Stunden. Aber wenn ich mal spät ins Bett gehe, bin ich am nächsten Tag trotzdem fit. Das ist wohl einfach Glück, aber die Angst ist da, dass es damit plötzlich vorbei ist.
Ein Altern auf Raten wäre Ihnen lieber?
Das wäre wohl angenehmer, weil es nicht so einen Einschnitt bedeutet.
Brauchen Sie mehr Ferien?
Nein. Aber es war falsch, dass ich früher wenig Ferien machte. Aber mit dem Alter kommt wohl auch die Weisheit.
Waren Sie mal wieder in Afrika?
Nein. Seit den späten 70er-Jahren nicht mehr. Ich war damals für eine Schweizer Baufirma in Nigeria. Als Vertreter des Finanzchefs.
Kaum zu glauben.
Ja, ich habe erst mal als Ferienvertretung für den Finanzchef den Papierkram erledigt, aber als der nicht mehr zurückkam, musste ich ein paar Monate bleiben.
Den typischen Buchhalter gibt man Ihnen nicht.
Ich habe das gelernt. Ich kann mit Zahlen, nur wurde daraus keine Leidenschaft. Damals verpasste ich deswegen den Saisonstart mit den Grasshoppers. Als ich im Dezember zurückkehrte, ging ich direkt aufs Eis und brach mir das Bein. Etwas später war die Karriere vorbei.
Und der Rest ist eine Legende. Stimmt es, dass Sie mal ein Angebot hatten, um Fussballtrainer zu werden?
(Lacht) Ja, das stimmt. Da kam einer und wollte, dass ich Bologna übernehme, ein Klub der Serie A.
Ist nicht wahr?
Doch, das war vor ungefähr zehn Jahren. Die Herausforderung reizte mich zwar, ich zog mich aber zurück, weil Fussball und Eishockey zu verschieden sind.
Wie kam das zustande?
Jemand hat mir sein Projekt vorgestellt, wir haben uns dann zwei- oder dreimal getroffen. Aber schlussendlich wurde daraus nichts.
Ähnlich wie das Angebot von St. Petersburg?
Nein, das war anders, da hatte ich ja schon zugesagt. Ich hatte in Chur bereits meinen Pass verlängern lassen, aber bei der Rückkehr nach Davos ging ich bei Küblis raus, fuhr rauf nach Pany und trank dort ein Glas Wein. Dann bekam ich wegen Davos kalte Füsse und sagte ab. Einerseits schade, andererseits nicht, wer weiss das schon.
Sie kommen nicht los von Davos.
Scheinbar nicht. Aber jetzt hat sich die Situation verändert.
Inwiefern?
Wir haben die Verträge so angepasst, dass sie nicht von meinem Bleiben abhängig sind.
Keine Del-Curto-Klauseln mehr?
Die gibt es schon lange nicht mehr. Die Verträge sind mittel- bis langfristig, der Kern des Teams für Jahre zementiert. Das hätte ich schon früher tun sollen. Aber jetzt könnte ich mit ruhigem Gewissen gehen.
Was könnten Sie sich denn vorstellen?
Da denke ich nicht drüber nach.
Die Nationalmannschaft irgendwann?
Nein, Patrick Fischer soll in Ruhe arbeiten können.
Damit er das kann, muss die NLA zulegen. Seit der Silbermedaille von Stockholm stagniert das Schweizer Eishockey.
Das ist so. Vermutlich wird das aber schon bald korrigiert, wir hatten kürzlich eine Sitzung mit den Sportverantwortlichen, da wurden verschiedene Lösungsansätze aufgezeigt. Ich kann aber nicht im Detail darüber sprechen.
Warum nicht?
Ich will nicht vorpreschen. Wir Klubs müssen selbst für Verbesserungen sorgen, mehr Intensität in den Zweikämpfen, besseres Verhalten in Bandennähe, keine Schwalben und so weiter.
Wenn in der NLA so gespielt werden soll wie auf der internationalen Bühne, müssen die Schiedsrichter das auch zulassen.
Ich möchte mich dazu nicht äussern.
Die Klubs finanzieren den Spielbetrieb, dann sollten sie auch bestimmen können, wie
gespielt wird.
Ich sage nur: Wir müssen von A bis Z umdenken und hart arbeiten. In den Klubs müssen wir die Spieler viel besser auf die internationalen Herausforderungen vorbereiten, damit sie im Ernstfall gewappnet sind.
Verdienen die Schweizer Spieler zu viel?
(Grübelt) Die Spieler haben eine Karriere, während der sie gutes Geld verdienen können. Danach kann es schwierig werden.
Ein Spieler muss gar nicht ins Ausland, weil er hier im Quervergleich gar besser verdient. Ist das nicht der falsche Ansatz?
Ich studiere auch ständig an diesem Thema rum, weil ich bei uns in der Ausarbeitung der Verträge mit involviert bin. Bei diesem Thema bin ich hin- und hergerissen.
In Schweden verdienen durchschnittliche Spieler einen Bruchteil dessen, was sie bei uns verdienen.
Wenn in Schweden ein Spieler geht, wird er durch einen Nachwuchsmann ersetzt. Diese Möglichkeit fehlte bei uns lange Zeit, dann musste man einen Transfer tätigen. Und Transfers kosten Geld. Wir können schon nur noch Nachwuchsspieler bringen, aber was ist, wenn du plötzlich auf dem letzten Platz stehst? Dann gehen die Zuschauer, die Sponsoren werden sauer, eine Abwärtsspirale wird losgetreten, du sparst bei der Ausbildung und alles geht den Bach runter. Es ist nicht einfach, eine Lösung zu finden. In Finnland gibt es nicht mehr Eishockeyspieler als bei uns, aber die Finnen sind in der Hierarchie des Welteishockeys weit vor uns.
Weshalb?
Weil Eishockey in Finnland Kultur ist. Bei uns sind andere Sachen wichtiger, in Finnland oder Schweden werden Sport und Schule kombiniert. Der Sport hat insgesamt einen viel höheren Stellenwert, aber dafür müsste es uns wirtschaftlich wohl schlechter gehen. Bei uns sagen viele junge Spieler, sie möchten unbedingt in die NHL. Aber tun sie auch alles dafür? Manchmal ist es nicht möglich, der Anreiz fehlt oder es geht alles zu leicht. Wo kommt denn Owetschkin her?
Aus Moskau.
Der musste doch von klein auf alles geben, damit er in die NHL kann. Das wollte der um jeden Preis. Als Schweizer wäre der wohl längst in der Privatwirtschaft.