Fabian Cancellaras Gesicht ist schmal geworden. Das Fett ist weg. Muskeln hat er mehr. Er ist bereit für das schwierigste Rennen.
Das Wetter heute wird unüblich. Kein grauer Himmel. Kein Regen. Fast 20 Grad sind angesagt. Die Flandern-Rundfahrt aber bleibt die Flandern-Rundfahrt. Sie wird keinen Fehler verzeihen.
Fabian Cancellara (35) startet zum 13. Mal. Mit einem vierten Gesamtsieg nach 2010, 2013 und 2014 wäre er alleiniger Rekordsieger dieses wohl schwierigsten Radrennens. Seit 2010 hat der Berner stets den Sprung aufs Podest geschafft. Nur ein Sturz (2012) und der Startverzicht (Verletzung, letztes Jahr) haben ein noch besseres Palmarès verhindert. Er ist in der Form seines Lebens. Er hat Fett verloren, aber an Muskelmasse zugelegt. «Ich komme jetzt noch besser die Steigungen hoch.»
Fehler macht er keine mehr. Die hat er gemacht. Wie 2005, da verpasst er die zweite Verpflegung. Und er wird nicht wie 2007 die ganze Verantwortung auf seine Schultern laden. «In der damaligen Euphorie verlor ich wichtige Kräfte für das Finale.»
2009 muss er aufgeben. Nicht sein Fehler. Am Koppenberg reisst die Kette. Kein Ersatzvelo. Er muss zu Fuss hoch.
Drei Jahre später das Drama. Innert einer Sekunde ist alles aus und vorbei. Cancellara hat in der einen Hand den Verpflegungssack und die andere oben am Lenker. «Ich fuhr mit dem Vorderrad über einen Bidon. Es schlug mir den Lenker aus der Hand und ich knallte auf den Asphalt.» Die Diagnose: dreifacher Schlüsselbein-Bruch. Später gibt er seinen Fehler zu. «Ich hätte in der Verpflegungszone vorne fahren sollen.»
Er muss heute nur aufpassen. «Ich fahre gegen junge und unerfahrene Rennfahrer. Viele kennen keinen Respekt. Sie machen die Rennen unsicher», beschwert er sich. Und er droht: «Wer nur gegen mich fährt, wird verlieren.» Cancellara weiss, dass ihm die Gegner während des Rennens ganz genau ins Gesicht und auf die Beine schauen werden.
«Mit mir will doch keiner in einer Fluchtgruppe fahren. Aber gewinnen wollen sie. Und wenn du gewinnen willst, dann musst du etwas machen. Ich kann sie ‹verseckeln›, das ist schlimm für sie. Mit einem solch starken Team wie jetzt ist es für mich auch einfacher, taktisch so zu fahren.» Er kann seine Gegner zu Fehlern zwingen. Er kann passiv fahren. Er schliesst keine «Löcher». Er kann Führungsarbeit verweigern. Er kann auf Teamkollegen setzen. Er kann bluffen mit seinem starken Team. Wer einen Fehler macht, hat die Flandern-Rundfahrt verloren.