Kaum ein Sport ist so anfällig für Betrug wie das Tennis. Die Tennis-Bosse führen einen Kampf, den sie nicht gewinnen können, sagt BLICK-Tennis-Experte Simon Häring.
Es geht um russische Wettringe, dunkle Machenschaften in sizilianischen Hinterzimmern, Absprachen, auffällige Wetten und Aufgaben unter dubiosen Umständen. Der Tennis-Sport wird von einem Wettskandal in seinen Grundfesten erschüttert. Aber was als neu verkauft wird, ist in Tat und Wahrheit ein altbekanntes Problem.
Neu ist nur, dass offenbar auch Top-Spieler involviert sein sollen. Namen werden keine genannt. Ohne Zugang zu Mobiltelefonen, Bankverbindungen und Computerdaten kann den beschuldigten Spielern keine Verbindung zu den Wettpaten nachgewiesen werden. Ein Manko, auch wenn die Beweislast aufgrund der auffälligen Wettaktivitäten erdrückend ist.
Die akribische Beweisführung hat weitere Risse. Während die BBC von einem Grand-Slam-Sieger im Doppel spricht, soll gemäss «BuzzFeed» ein Major-Champion im Einzel in die Affäre verstrickt sein. Zudem liegt der Hauptfall um Nikolai Dawidenko fast neun Jahre zurück. Gut möglich also, dass der Wettbetrug sich am Ende als nicht ganz so gravierend entpuppt.
Im Tennis wird beschissen wie überall, wo es um Millionen geht. Und gäbe es einen Sport, der modelliert wird für grossflächigen Betrug, es wäre Tennis. Fünf schwache Minuten, ein Doppelfehler hier, ein verunglückter Stoppball dort. Schon ist die Niederlage perfekt. Kaum ein Sport ist für Betrug anfälliger. Diesen nachzuweisen, ist fast unmöglich.
Die Körperschaft des internationalen Tennisverbands ITF für die Bekämpfung von Wettbetrug, die TIU (Tennis Integrity Unit), führt einen aussichtslosen Kampf gegen eine Hydra, das Ungeheuer aus der griechischen Mythologie. Ist ein Kopf abgeschlagen, wachsen zwei neue nach. Ein Sieg ist ausgeschlossen.
Zumindest eine Mitschuld trägt die zum Teil als ungerecht empfundene Verteilung der Preisgelder. Während die Top-Ten-Spieler im Jahr gegen 10 Millionen Dollar an Preisgeldern erspielen, geht es für Profis jenseits der Top 100 bereits ums nackte Überleben, zumal Reisen, Unterkünfte, Material und Training Unsummen verschlingen.
Das mag dem Betrug im einen oder anderen Fall zwar Tür und Tor öffnen. Grund für Wettbetrug ist aber nicht das System, sondern schwarze Schafe, die ohne Rücksicht auf Verluste in die eigene Tasche wirtschaften, selbst wenn sie sich an den Honigtöpfen der stattlichen Preisgelder laben könnten. Geld verdirbt eben doch den Charakter.